Philemon und Baukis
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Sie saßen schon eine ganze Weile schmausend und plaudernd beisammen, als Philemon plötzlich gewahrte, dass der Wein im Krug nicht weniger wurde, wie oft er auch einschenkte. Schaudernd erkannte er an dem Wunder, dass es himmlische Gäste waren, die er bewirtete, und angstvoll bat er mit seinem Weibe die Götter um Vergebung, dass das Essen so ärmlich sei und der Wein nicht von der teuren Sorte. "Wir haben aber noch eine Gans im Stall, die wollen wir gerne für euch schlachten und braten, damit ihr uns nicht zürnt, weil wir euch nicht das Beste geboten haben", sagten die beiden Alten, und schon eilten sie hinaus, die Gans zu holen. Aber das Tier entschlüpfte ihren zittrigen Händen, schlug mit den Flügeln und kam laut schreiend ins Haus gerannt, wo es sich schutzsuchend unter dem Ruhebett der Gäste verbarg. Philemon und Baukis kamen ganz außer Atem in die Stube zurück. Zeus und Hermes hatten sich erhoben und traten ihnen entgegen. "Lasst dem geängstigten Tiere sein Leben, euer Mahl war köstlicher als irgendeines in des reichsten Mannes Haus. Ja, wir sind vom Olympos herniedergestiegen, das Menschengeschlecht zu versuchen, und haben nur herzloses Volk getroffen; es ist verdienter Strafe verfallen. Ihr aber nahmt uns liebreich auf, darum gehet mit uns aus dieser Hütte hinaus. Nehmt Wanderstäbe und folgt uns auf den Gipfel des nahen Berges, ihr dürft nicht im Tale bleiben, wo die Schuldigen wohnen. Schon graut der Tag." So sprachen die Götter, und das greise Paar gehorchte. Mühsam stiegen sie bergan, ohne sich umzublicken, erst als sie nur mehr einen Steinwurf weit vom Gipfel entfernt waren und ein wenig rasten mussten, sahen sie hinter sich: da war das weite Land unter den Wogen eines mächtigen Sees begraben, Äcker und Wiesen, Weingärten und Ölhaine, Dörfer und ferne Städte, alles, alles bedeckte die Flut. Einzig und allein ihr eigenes strohgedecktes Hüttchen ragte aus der Wasserwüste, einer Arche gleich schien es auf den Wellen zu schwimmen. Da weinten Philemon und Baukis über das schlimme Los, welches Phrygien betroffen hatte. Doch während sie so weinten, verwandelte sich ihre Hütte auf einmal in einen herrlichen Tempel mit ragenden Säulen, marmornem Boden und goldgedecktem Dach. Voll Güte neigte sich Zeus zu den staunenden Alten herab: "Nun wünscht euch etwas, ihr beiden Redlichen, ein Wunsch steht euch frei".

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