Die feindlichen Brüder
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Schon hatte der König mit seinen Schwiegersöhnen und drei argeischen Helden die Fünfzahl erfüllt, da stieß er bei der Werbung des sechsten Heerführers auf ein Hindernis. Der Held und Seher Amphiaraos, auf den seine Wahl gefallen war, sah den unglücklichen Ausgang des Krieges und sein eigenes Ende voraus; er hielt sich vor den Abgesandten des Königs versteckt, er wollte unter keiner Bedingung mit nach Theben ziehen. In dieser Not griff Polyneikes zu einer schändlichen List. Er hatte, als er aus seiner Vaterstadt geflohen war, jenen Schleier und jenes Halsband mitgenommen, die Aphrodite ihrer Tochter Harmonia als Brautgeschenk überreicht hatte, als diese des Stammvaters Kadmos Frau geworden war. Mit dem Halsband nun, einem Schmuckstück von überirdischer Schönheit, bestach Polyneikes Eriphyle, die putz- und prunksüchtige Gattin des Sehers. Sie verriet ihm den Schlupfwinkel ihres Gemahls, und Amphiaraos musste, um nicht feige zu erscheinen, gehorchen. Seine warnenden Worte schlug man in den Wind. Als siebenter Heerführer stellte sich König Adrastos selber an die Spitze des Heeres. Unter unsäglichen Entbehrungen zogen die Krieger durch die wasserlose Wald- und Felsenwildnis des Landes Nemea nach Theben. Hier versuchten es die Argiver zunächst mit friedlichen Unterhandlungen, doch da mit diesen nichts auszurichten war, begannen sie mit der Belagerung der Stadt.

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