Der Frevler Sisyphos
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Dieser entfaltete seine düsteren Schwingen und trug Sisyphos in die Unterwelt. Doch der schlaue König, einer der listigsten Sterblichen jener Zeit, hatte seiner Gemahlin befohlen, ihm kein Totenopfer zu bringen. Nun, ins Schatten reich gebannt, trat er vor Hades' und Persephones Thron und bat die beiden, ihn auf kurze Zeit zur Oberwelt zu entlassen, damit er seine säumige Gattin mahnen könne. Der Betrug gelang, und Sisyphos entwischte. Im süßen Lichte des Tages angelangt, dachte er gar nicht daran, in die Unterwelt zurückzukehren, sondern ließ es sich in Korinth bei Schmaus und Trank recht wohl ergehen. Aber nach einiger Zeit rauschte Thanatos in den Saal der Burg hinein und schleppte den Entsprungenen von der üppig bestellten Tafel unerbittlich hinweg in den Hades. Zur Strafe für seinen Betrug muss Sisyphos einen schweren Marmorstein von der Ebene eine Anhöhe hinaufwälzen. Mit Händen und Füßen angestemmt, vollbringt er das mühselige Werk, und immer, wenn er schon glaubt, den Block endlich auf den Gipfel geschafft zu haben, entgleitet ihm die Last, und der Stein poltert wieder in die Tiefe. So muss der gepeinigte Verbrecher stets von neuem das Felsstück emporwälzen, der Angstschweiß fließt von seinen Gliedern, und ein Gott mag wissen, wann der Stein auf dem Gipfel ruhen und Sisyphos von seiner Qual erlöst sein wird. Die Menschen aber, die von dieser Höllenstrafe Kenntnis erhielten, nannten und nennen seit damals eine Mühe, deren Frucht immer wieder zunichte gemacht wird, gerne: eine Sisyphosarbeit.

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