Alkinoos empfängt Odysseus und fordert ihn auf, seine Abenteuer zu erzählen
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Alkinoos gefiel diese Rede. Er stand auf, nahm Odysseus gütig an der Hand und führte ihn zu einem Sitz an seiner Seite, wo sein eigener Sohn und Liebling Laodamas ihm Platz machen musste. So tafelte der Held mitten unter Helden, und als das Trankopfer dargebracht war und die Gäste sich erhoben, lud der König alle für den nächsten Tag zu einem Freudenmahl ein. Nun erst fragten Alkinoos und Arete den Fremdling, wer er sei und woher er komme. Odysseus verschwieg seinen Namen, erzählte hingegen ausführlich, wie es ihm als Gefangener Kalypsos auf der Insel Ogygia ergangen sei und was er seit seiner Abfahrt von dort alles erlebt habe. Voll Dankbarkeit gedachte er am Ende auch der schönen Nausikaa, die ihn so edelmütig behandelt hatte. Das Königspaar lauschte gespannt seiner Erzählung und fragte nicht mehr weiter. Alkinoos versprach ihm sicheres Geleit in die Heimat und wies ihm eine Kammer und ein Nachtlager an. Da verabschiedete sich der Held und ruhte, in weiche Kissen gebettet, von allen erduldeten Mühsalen aus. Tags darauf berief der König die vornehmsten Bürger der Stadt zu einer Ratsversammlung auf den Marktplatz. Sein Gast musste ihn dorthin begleiten, und als sie beide auf zwei schönbehauenen Steinen nebeneinander Platz genommen hatten, ruhten aller Augen bewundernd auf Odysseus. In feierlicher Rede erbat Alkinoos für den edlen Fremdling ein gutes Ruderschiff mit zweiundfünfzig Jünglingen als Besatzung, und die Häupter des Volkes gewährten ihm diesen Wunsch. Hierauf lud der König auch sie zum Festmahl ein. Bald wimmelten Höfe und Hallen von Geladenen. Zwölf Schafe, acht Schweine und zwei Stiere waren für den Schmaus geschlachtet worden, an mächtigen Spießen drehten sich die Braten über dem Feuer. Als sich die Gäste zum Mahle niederließen, führte ein Herold den Sänger Demodokos herein, der war blind. Die Muse hatte ihm das Licht der leiblichen Augen genommen und ihm dafür die Augen der Seele so weit geöffnet, dass er ins Reich der Götter schauen konnte; Vergangenes wie Künftiges erschloss sich seinem Geist. An einer breiten Säule stand ein silberbeschlagener Sessel für ihn bereit, dort ließ er sich nieder. Zu seinen Häupten hängte man die Harfe auf. Als nun das Mahl beendet war, wollte Demodokos singen. Man hob sein Saitenspiel vom Nagel und legte es ihm in den Arm. Er besang die Heldentaten der Griechen vor Troia - längst waren sie ja zum Liede geworden! -, er sang von Achilleus und von Odysseus, und als dieser seinen Namen von den Lippen des ihm fremden Sängers tönen hörte, entstürzten seinen Augen die Tränen, und er verhüllte sein Haupt. Alkinoos befahl sogleich, den Gesang zu enden, den traurigen Gast vielmehr durch Kampfspiele zu ermuntern und zu ehren. Die Menge strömte auf den Markt hinaus, hier maßen sich drei Söhne des Alkinoos und viele andere Jünglinge im Wettlauf und im Springen, im Ringen und im Scheibenwerfen. Sie forderten auch Odysseus auf, sich am Wettspiel zu beteiligen, doch dieser sprach: "Ihr Jünglinge, wollt ihr mich kränken? Ich habe anderes im Sinn. Trübsal nagt an mir, mich verlangt einzig nach Heimkehr." Da neckte ihn einer der Jünglinge, der im Wettstreit gesiegt hatte. "Fürwahr", rief er, "du benimmst dich nicht wie ein Mann, der zu kämpfen versteht. Held bist du keiner - wohl ein Schiffshauptmann oder ein Kaufherr, wie?"

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